Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
17.09.2016


Revision 3.0
Harald Franke

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Internationale Arbeit bei INTERFLUG Betriebsteil Flugtechnik im Überblick

1. Vorbemerkung

Die Luftverkehrsunternehmen (LVU) im RGW betrieben fast ausschließlich sowjetische Flugzeugtechnik und hatten alle ähnliche Sorgen und Erfolgserlebnisse.
Sie schlossen auf staatlicher Ebene Luftverkehrsabkommen ab, hinzu kamen Interline-Abkommen und andere und daraus ergab sich die Möglichkeit und Notwendigkeit der kommerziellen Zusammenarbeit.
Selbstverständlich mussten die Techniker mit den sowjetischen Konstruktionsbüros, den Hersteller- und Reparaturwerken in der  Sowjetunion eng zusammenarbeiten, um einen sicheren und effektiven Betrieb der sowjetischen Technik zu gewährleisten. Dabei gab es eine Reihe heute kaum mehr vorstellbarer bürokratischer Hemmnisse und trivialer Kommunikationsprobleme. Doch davon soll jetzt hier nicht die Rede sein, vielleicht in einem anderen Beitrag. Es geht vielmehr um planmäßige, durch Verträge und Abkommen geregelte Zusammenarbeit auf technischem Gebiet, mit der versucht wurde, Kräfte zu bündeln, Druck auf die Konstruktionsbüros und auf das sowjetische Außenhandelsunternehmen Aviaexport auszuüben, Doppelarbeit zu vermeiden, effektiver zu werden und von den Erfahrungen und Irrtümern anderer zu lernen.

„Erfahrungsaustausch ist die billigste Investition“ – das war eine eingängige Losung in der DDR, und da die Mittel für Investitionen knapp bemessen waren, sollte und konnte wenigstens diese Möglichkeit einen positiven Schub bringen. Für die INTERFLUG zumindest war die internationale Arbeit sehr wertvoll, denn unsere Airline war kein Mitglied der ICAO, der IATA (Beitritt erst 1.7.1990) oder anderer westlicher Luftfahrt-organisationen und uns in der Flugtechnik standen nur selten und meist zufällig technische Informationen aus dem westlichen Ausland zur Verfügung. Selbst die Lektüre westlicher Luftfahrtzeitschriften war nur auf Antrag einem limitierten Personenkreis gestattet.
Die unter den Punkten 2. – 5. dargestellten Vereinbarungen und Verträge wurden auf betrieblicher Ebene zwischen den interessierten LVU realisiert.
Unter den Punkten 6. – 7. sind Themen aufgeführt, die innerhalb der RGW-Länder von Interesse waren, zwischen ihnen abgestimmt wurden und in der DDR von der Hauptverwaltung Zivile Luftfahrt (HVZL) zu verantworten waren. Die HVZL wiederum koordinierte diese Arbeit und delegierte die Bearbeitung und meist auch die Wahrnehmung der Aufgaben auf den Konferenzen in die Betriebe der IF, hauptsächlich in den Verkehrsflug. Von Mitarbeitern des Verkehrsfluges wurde über viele Jahre die Delegation der DDR in diesen beiden Gremien geleitet.


2. Berliner Vereinbarung (BV)

bv Bereits im Oktober 1953 vereinbarten ČSA, LOT, MALĖV und TABSO ein Pool-Abkommen, dem sich im März 1955 die TAROM und im Februar 1956 die Deutsche Lufthansa (Ost) anschlossen. Am 8.6.1957 wurde in Budapest ein „Abkommen über die gemeinsame Nutzung von Fluglinien und über den Verrechnungsmodus der daraus erzielten Einnahmen“ sowie ein „Abkommen über gegenseitige Zusammenarbeit“ unterzeichnet.
Dieser 6-Pool fasste den Beschluss, dass sich die kommerziellen / finanziellen, fliegerischen und technischen Vertreter jährlich einmal zur Beratung fachlicher Probleme treffen. Bemerkenswert und erstaunlich ist, dass die Aeroflot zu dieser Zeit an den Pool-Treffen nicht beteiligt und nur hin und wieder durch Beobachter vertreten war.

Am 27.10.1965 wurde in Berlin auf Empfehlung der Ständigen Kommission des RGW für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Transportwesens von den LVU

Aeroflot (Аэрофлот – Российские авиалинии/ Aeroflot –Russische Fluglinien)
ČSA (Československé aerolinie)
INTERFLUG Gesellschaft für internationalen Flugverkehr mbH
LOT (LOT Polish Airlines)
MALĖV (Magyar Légiközlekedési Vállalat, Ungarische Luftverkehrsgesellschaft)
MIAT (Mongolian Airlines)
TABSO (Transportno-aviacionno balgaro-savetsko ob"edinenie), ab1.3.1968 in BALKAN umbenannt
TAROM  (Transporturile Aeriene Române/Romanian Air Transport)


eine „Vereinbarung über die Zusammenarbeit der LVU auf dem Gebiet der betrieblichen, kommerziellen und finanziellen Tätigkeit“ unterzeichnet.
Die Vereinbarung umfasst auf 19 Seiten 10 Punkte mit 17 Artikeln sowie 4 Anlagen. Aus der Präambel werden hier nur die für die Flugtechnik wichtigen Punkte aus der Zielstellung zitiert:

“Die Partner werden eng zusammenarbeiten, um abgestimmte Maßnahmen zu verwirklichen, die auf die weitere Erreichung besserer ökonomischer Ergebnisse auf folgenden Gebieten gerichtet sind:

Klärung von Problemen der betrieblichen ökonomischen Tätigkeit und wissenschaftlich -technische Zusammenarbeit, um eine Effektivitätssteigerung und Erhöhung der Flugsicherheit der LVU gewährleisten;
Organisation und Durchführung von Flügen, fliegerischer und technischer Betrieb des Flugzeugparkes, Flugzeugabfertigung;
Leistung gegenseitiger Hilfe zwecks Verbesserung der Tätigkeit der LVU,   Erhöhung des Ausbildungsniveaus der Kader des fliegenden, technischen und anderen Personals der LVU;
Organisation der gegenseitigen Information in fliegerisch-technischen Fragen ...;“

Die erste Konferenz in dieser Zusammensetzung, die später „Berliner Vereinbarung“ genannt wurde, fand vom 13. – 20.04.1966 in Budapest statt.
                                                                  
Am 18.04.1975 trat Cubana de Aviación der Vereinbarung bei. Dergestalt blieb die BV stabil bis zum Untergang des RGW und der „sozialistischen Brudergemeinschaft“.

bv flaggen Zur Lösung der gestellten Aufgaben wurden jährlich bei einem der LVU gleichzeitig die Konferenzen der technischen, fliegerischen und kommerziellen Direktoren abgehalten.

Anschließend tagten die Generaldirektoren der LVU, berieten ihre schwergewichtigen Probleme und bestätigten oder verwarfen das, was von den 3 Direktorenkonferenzen als Beschlussvorlage eingebracht wurde.

Nun nur noch zu den Konferenzen  der technischen Direktoren des 6-Pools und der BV.  
      
In den Anfangsjahren war die Tagesordnung  noch nicht sehr umfangreich, sie sah auf der Konferenz des 6-Pools, die vom 24.-30.9.1956 in Warschau stattfand, folgendermaßen aus:

1. Erfahrungsaustausch über Betrieb und Reparatur der Flugzeuge und Triebwerke.
2. Zusammenarbeit zu technischen Fragen – gegenseitige Information über die Möglichkeiten der Reparatur von Flugzeugen und Triebwerken und die Ersatzteilproduktion.
3. Technologie der Flugzeugwartung auf internationalen Flughäfen.
4. Erörterung des Entwurfes eines Abkommens über die gegenseitige Hilfe bei der Ersatzteilversorgung der Flugzeuge.
5. Verschiedenes

Offensichtlich gab es eine Reihe von Versorgungs- und Kapazitätsengpässen beim Betrieb der damaligen Technik LI-2, IL-12 und IL-14. Ein paar Jahre später stand die Luftfahrtindustrie der DDR, welche Flugzeuge vom Typ IL-14 als sowjetische Lizenzproduktion an die 6-Pool-Teilnehmer geliefert hatte, im Kreuzfeuer der Kritik.
Vor allem wurde beanstandet, dass das Triebwerk Asch-82 sehr viele Ausfälle aufweist, Metallspäne im Öl gefunden werden und die Konstruktion der Zylinder-Kolben-Gruppe unbefriedigend sei. Aktuelle Ersatzteilkataloge fehlten und die Ersatzteilversorgung sei nicht ausreichend. Es wurde ein Beschwerdebrief an die Staatliche Plankommission der DDR verfasst. Das Außenhandelsunternehmen der DDR, Technocommerz, berief daraufhin im Mai 1961 eine spezielle Konferenz zur Lösung dieser Probleme ein. Genutzt hat das augenscheinlich wenig, denn bereits 1964 wurden die gleichen Fragen auf der Konferenz der technischen Direktoren in Berlin erneut erbittert diskutiert. Ich erinnere mich, dass die LOT und andere LVU ihre Probleme beim Einsatz der Triebwerke Asch-82 aus DDR-Produktion darlegten, die große Zahl vorzeitiger Ausfälle beklagten und konstatierten, dass die Ersatzteilversorgung weder in Qualität noch in Quantität befriedige. Es wurde verlangt, dass Vertreter vom Hersteller der TW, den Industriewerken Karl-Marx-Stadt, von Technocommerz und vom Volkswirtschaftsrat nach Berlin zur Konfe-renz kommen, was nur mit Mühe so schnell und unvorbereitet zu organisieren war.

Im Konferenzprotokoll wurde dann formuliert:
“... Es wird erwartet, dass die entsprechenden Organe der DDR die notwendigen Maßnahmen für die Beseitigung der angeführten Mängel bezüglich der Triebwerke und Ersatzteile treffen“. Dabei war die INTERFLUG für die Lösung dieser Fragen gar nicht zuständig, die Luftfahrtindustrie der DDR eingestellt worden und diese Konferenz nicht der geeignete Ort, das alles breit zu diskutieren.

Mit Einführung des Flugzeugtyps IL-18 und der Erweiterung des gesamten technischen Aufgabenspektrums standen natürlich auch andere Fragen auf der Tagesordnung wie
- Behandlung der interessantesten und sich am häufigsten wiederholenden technischen Defekte; Flugvorkommnisse und Beschädigungen und die Auswahl von effektivsten Mitteln und Methoden zu ihrer Verhütung und Beseitigung.
- Definition von Kennziffern der Quartalsdefektenanalyse
- Ersatzteillager auf Flughäfen in Drittländern
- Standardfunkausrüstung der Flugzeuge
- u.a.

Während der 6-Pool-Zeit wurde die DLH (Ost) bzw. INTERFLUG auf den Konferenzen vertreten durch die technischen Direktoren
Ernst Wendt               1956 -  1960
Kurt Röhricht             1961 -  1962
Jochen Munkelt          1963 -  1970

Im  März 1958  fand die Konferenz der Generaldirektoren in Berlin statt und bei dieser Gelegenheit wurde den Konferenzteilnehmern der Besuch der Leipziger Messe ermöglicht und eine Werksbesichtigung im Dresdner Flugzeughersteller-werk organisiert und das dort in Entwicklung befindliche Flugzeug B-152 vorgestellt.

Um die Effektivität der Konferenzen zu erhöhen, wurde mit Beginn der 70-er Jahre eine Tagesordnung mit ständig wiederkehrenden Tagesordnungspunkten eingeführt. Bereits im Vorfeld der Konferenz wurde zu den einzelnen Punkten schriftliches Material verschickt, so dass auf der Konferenz selbst nur noch mündliche Ergänzungen, wenn erforderlich, gegeben oder Fragen beantwortet wurden

Konferenz der technischen Direktoren 1965, am Tisch von rechts: der Autor, Kurt Neumann – Vertreter der IF in Moskau, Jochen Munkelt – Technischer Direktor der IF

So sah eine typische Tagesordnung der Konferenz der technischen Direktoren der LVU der BV 1989 folgendermaßen aus (in Klammern, wo erforderlich, einige Erklärungen zu den Tagesordnungspunkten):

    • Über die Durchführung der Beschlüsse der XXIII. Konferenz der Technischen Direktoren der LVU der BV, die im April 1988 in Braschov, Rumänien, stattfand.
      Vortragender: Organisator der Konferenz, Sekretariat der BV

    • Erfahrungsaustausch zur Wartungsorganisation der Luftfahrttechnik - Vortragender: alle LVU
      ( Hier ging es um Wartungssysteme wie Etappenwartung, Blockwartung, Zonenwartung u.a., aber auch um Fragen der Organisationsstruktur der Instandhaltungseinrichtung. Interessant war zu beobachten, wie mitunter ein LVU eine Strukturveränderung neu einführte, die ein anderes LVU gerade verworfen und verändert hatte. Das hat mich zu der Überzeugung gebracht, dass es keine allgemeingültige optimale Struktur gibt, sondern nur eine optimale Struktur mit Bezug auf die aktuellen Verhältnisse und Gegebenheiten. Strukturen haben es an sich, mit den Jahren zu verkrusten, dann sollte man sie aufbrechen und neu ordnen. Eine zu häufige Strukturänderung bringt aber nur Unruhe und Reibungsverluste in das Tagesgeschäft. )

    • Über ergriffene Maßnahmen zur Lösung von Fragen, auf welche die Teilnehmer der XXIII. Konferenz der Technischen Direktoren aufmerksam gemacht hatten und über durchgeführte Arbeiten zur Weiterentwicklung und Vervollkommnung der Luftfahrttechnik sowjetischer Produktion.
      Vortragender: Vertreter von Aviaexport und der Konstruktionsbüros
      (Die Vertreter von Aviaexport und der  Konstruktionsbüros Ilyushin, Tupolev und Antonov nahmen erst ab ca.1975  regelmäßig an den Konferenzen teil. Nur selten konnten sie auf die im Vorjahr aufgeworfenen Fragen eine befriedigende Lösung anbieten, meist zog sich die Bearbeitung über mehrere Jahre hin. Einige generelle Probleme, die bei westlichen Produzenten unter dem Begriff  Kundenservice oder Costumer Support laufen, funktionierten nie richtig, z.B. die regelmäßige Aktualisierung der Betriebsvorschriften und der Ersatzteilkataloge des Flugzeuges, von den Technischen Beschreibungen der Aggregate und Geräte gar nicht zu reden.
      1983 wurde erstmals angekündigt, dass eine Atrappenbesichtigung der neuen Flugzeuggeneration TU-204 und IL-96 bevorsteht. Die sowjetische Seite nährte die Hoffnung, dass mit dieser neuen Technikgeneration vieles besser wird. Eine Besichtigung der Versuchsmuster erfolgte aber durch uns erst im Juli 1989 – da ahnte allerdings noch keiner, dass sich in wenigen Monaten die Welt grundlegend verändern würde und auch nicht, dass diese neue Technik nie so richtig den Durchbruch und die Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt erzielen wird.
      Selbst auf der letzten, der XXV. Konferenz der technischen Direktoren, die im Juni 1990 in Havanna stattfand, wurde im Protokoll herbe Kritik an der sowjetischen Luftfahrtindustrie geübt:
      “... es wurden keine schriftlichen Antworten auf die auf der XXIV. Tagung aufgeworfenen Fragen gegeben...“;
      “Das Ministerium für Luftfahrtindustrie (MLI) hat die Frage des direkten Schriftverkehrs zwischen den Konstruktionsbüros der Flugzeuge und der Triebwerke und den LVU zu technischen Fragen nicht gelöst“;
      “Die Maßnahmen, welche das MLI zur weiteren Vervollkommnung der Luftfahrttechnik eingeleitet hat, ..., sind unzureichend und fördern nicht einen effektiven Betrieb der Luftfahrttechnik“;
      “Die materiell-technische Versorgung ist seitens Aviaexport schlecht organisiert und gewährleistet nicht einen intensiven Betrieb der Luftfahrttechnik.“
      Die Generaldirektoren und das Sekretariat der BV wurden gebeten, Einfluss auf das MLI, Aviaexport und die Konstruktionsbüros zu nehmen, um eine Verbesserung der Situation zu erreichen. ).

    • Gelöste, in Arbeit befindliche und ungelöste Probleme, welche die Erhöhung der Zuverlässigkeit und der Instandhaltungseignung und die materiell-technische Versorgung der Luftfahrttechnik betreffen.
      Vortragender: alle LVU
      (Ein weites Feld. Am gravierendsten waren die Probleme, die lange Standzeiten in der Instandhaltung verursachten. Dazu zählten der hohe Mannstundenaufwand für diverse Kontrollen an den Triebwerken D 30 der TU-134/A, D30 KU der IL-62M, nicht seltene Fehlsignalisationen der Anzeigen „TW-Brand“, „TW-Vibration“ und „Späne im Öl“ und durch Fremdkörper auf den Pisten und Rollwegen beschädigte Verdichter-schaufeln, was zu außerplanmäßigem Triebwerkswechsel führen konnte.
      IF hat besonders den Schwingungsmessanlagen große Sorgfalt und Aufmerksamkeit gewidmet und ist von schweren Vorkommnissen auf diesem Gebiet verschont geblieben.
      Undichte Integralkraftstoffbehälter, besonders an der IL-62, führten manchmal zu wochenlangem Ausfall, wenn das Flugzeug nur im Reparaturwerk in Taschkent instandgesetzt werden konnte.
      Ein langjähriges Problem war auch die Korrosion im Rumpf, besonders im Toilettenbereich. Das Reparaturwerk in Minsk hat als Maß für den Umfang der Korrosion die Länge der ausgewechselten Stringer verwendet, danach lag die IF mit ihren Korrosionsproblemen im Mittelfeld der LVU. Am schlimmsten dran waren die Flugzeuge der Cubana, die tropischem Klima ausgesetzt waren. Man hat versucht, mit verbesserter Drainage des Rumpfes und Einführung anderer, dampfdurchlässigerer Wärme-Schall-Isolierung, die sich dann nicht mehr so stark mit Wasser voll saugen konnte, dem Übel abzuhelfen. Eine wirksame Verbesserung trat erst ein, als wir die korrosionsgefährdeten Bereiche mit einem penetrierfähigen Spezialmittel der schwedischen Firma Dinol behandelten.
       Natürlich gab es auch genug Probleme auf dem Avioniksektor, doch die verursachten in aller Regel keine großen Standzeiten, man konnte die Geräte relativ schnell wechseln, hatte aber anderen Ärger damit.
      Meist klagten die LVU über die gleichen Probleme, aber es gab auch solche, die gehäuft nur bei einer Airline auftraten und keiner konnte erklären, warum.)

    • Information über die Realisierung der Beschlüsse der Ständigen Kommission für Zivilluftfahrt des RGW in den LVU der BV.
      Vortragender: alle LVU, Sekretariat der BV
      (Hier knüpfen die Informationen unter den Punkten 6. und 7. an).

    • Information zum Stand der Arbeiten zu den Themen des Planes 1988-1989, der auf der XXIII. Tagung der Technischen Direktoren beschlossen wurde
      Vortragender: Organisator der Tagung
      (Bestimmte Themen wie TW-Diagnostik, Flugkraftstoffökonomie, Flugdatenschreiber, Automatische Steuerung des Flugzeuginstand-haltungsprozesses u.a. wurden federführend von einem LVU bearbeitet und das Material den anderen zur Stellungnahme zugesandt. Häufig wurden die Ausarbeitungen erst auf Expertenkonferenzen diskutiert und dann in eine Endfassung gebracht).

    • Erörterung der Protokolle der Expertentagungen auf der Grundlage des Planes 1988-1989.
      Vortragender: Organisator der Tagung
      (Siehe die Punkte 3. und 5.)

    • Erörterung des Arbeitsplanes und des Planes zur Durchführung von Expertenkonferenzen 1989-1990
      Vortragender: Organisator der Tagung
    • Verschiedenes
      Vortragender: alle LVU

    • Erörterung des Entwurfes der Tagesordnung der XXV. Konferenz der Technischen Direktoren
      Vortragender: Organisator der Konferenz
Konferenz der Technischen Direktoren 1980 in Bukarest, Protokollunterzeichnung  3. von rechts  am Tisch – der Autor Nach getaner Arbeit kann man auch anstoßen. Bukarest 1980. 
Die technischen Direktoren von links: Cubana, MALEV, LOT, Balkan, Tarom, MIAT, Aeroflot; ČSA, INTERFLUG

Es gab natürlich, wie überall in der Welt, so auch in dieser Zusammenarbeit, Musterschüler und unorganisierte Liederjane, die kein Material lieferten, aktive und desinteressierte LVU, Treiber und Bremser.
Bei IF wurde im BTFT seit 1976 ein Koordinator für die Arbeit innerhalb der BV eingesetzt, der dafür sorgte, dass IF eingegangene Verpflichtungen wahrnahm. Wir hatten einen relativ guten Überblick über das Geschehen, fielen nicht unangenehm auf und zählten zu den aktiven LVU.
Ich hatte die Möglichkeit, seit 1964 an fast allen Konferenzen, insgesamt an 25, davon von 1980 bis 1989 als Technischer Direktor, teilzunehmen, was sicher zumindest bei den Technikern ein Teilnehmerrekord ist und mir vielerlei Bekanntschaften und Beziehungen einbrachte, die bekanntlich nur dem schaden, der keine hat.
           
Abendliche informelle Treffen auf den Hotelzimmern, entweder mit allen Direktoren oder auch nur zwei- oder mehrseitig, mit oder ohne Vertreter der Konstruktionsbüros waren vom neuen oder auch gerüchteweisen Informationsgehalt her oft interessanter als die Veranstaltung selbst.
Jeder brachte mit, was im Lande gern getrunken wurde: Wodka, Zubrovka, Palinka, Pliska, Nordhäuser Doppelkorn, Kuba-Rum, Becherovka oder gar Arkhi.
Es wurden viele Witze erzählt, auch politische. Besonders populär waren damals die Witze aus der Serie „Anfragen an das armenische Radio bzw. an den Sender Jerewan“. Hier zwei Kostproben aus der Mottenkiste:

Anfrage: Was wird mit der Ware-Geld-Beziehung im Kommunismus?
Antwort: Erst gibt es keine Ware mehr, dann kein Geld mehr und am Ende nützen Beziehungen auch nichts mehr.
Anfrage: Was sind die vier Hauptfeinde des Sozialismus?
Antwort: Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

Auf alle Fälle förderten diese Treffen das Zusammengehörigkeitsgefühl und das gegenseitige Verständnis und ermöglichten in manchen Situationen eine schnellere Lösung von Problemen „auf dem kleinen Dienstweg“.

Es zeichnete sich 1990 mit Einführung der Valutaverrechnung zwischen den LVU und Auflösung der einheitlichen Passagier- und Frachttarife (EAPT/EAGT) im RGW ab, dass sich die Berliner Vereinbarung in der bestehenden Form überlebt hat und einer Erneuerung bedarf.
Auf der Konferenz der Generaldirektoren im Juni 1990 in Havanna wurde beschlossen, dass dazu im November 1990 in Budapest eine außerordentliche Tagung der Generaldirektoren stattfinden soll.
Gleichzeitig erklärte die INTERFLUG, die Zusammenarbeit im Rahmen der BV zum 1.1.1991 zu beenden.
Damit wurde dieses Kapitel abgeschlossen.      

 

3. Gemeinsame technische Wartungsstationen
(SSTO – Stantsii Sovmestnogo Tekhnicheskogo Obsluzhivaniya)

Bereits seit Anfang der 60-er Jahre gab es auf bestimmten Flughäfen in Drittländern für die IL-14 und die IL-18 Lager für Ersatzteile und Hilfsstoffe, meist Räder und Öl, die von den LVU der BV genutzt werden konnten.
1964 war die Zuständigkeit für die Lager so verteilt:

LOT   London, Paris
MALEV Amsterdam, Athen, Kopenhagen
TABSO Frankfurt, Tunis
TAROM Wien, Brüssel
CSA  Stockholm, Zürich
INTERFLUG Tirana

Für INTERFLUG war diese Frage damals mangels Strecken in das westliche Ausland von geringem Interesse. Außerdem standen die Lager nicht selten nur auf dem Papier, waren nicht vollständig bestückt oder die Einrichtung zog sich über Jahre hin.
Auf diesem Gebiet wurden deshalb AFL, ČSA und LOT gemeinsam aktiv, um das Problem zuverlässiger zu lösen. INTERFLUG war darauf angewiesen sich stärker zu engagieren, als 1969 mit der Einführung der IL-62 Langstreckenflüge nach Havanna, Hanoi u.a. Zielorten im Streckennetz ihren Platz fanden. Weil die Beteiligung aber mit der Ausgabe von Valutamitteln verknüpft war, schob man bei IF dieses leidige technische Problem lange vor sich her und erst im Oktober 1974 nahmen wir an an einer SSTO-Beratung teil. Die ČSA animierte dazu mitzumachen, da es „ eine Lotterie sei, bei der jeder gewinnt“. Gemeint war, dass die finanzielle Hauptlast durch das Auslagern von Teilen und das Stationieren von Personal sowieso durch die AFL getragen wird und eine gegenseitige Verrechnung noch nicht erfolgte.

Erst mit dem Abkommen über die SSTO wurde die gesamte Verfahrensweise geregelt, was sehr schwierig war, weil ein Problem das andere nach sich zog.
Zunächst sieht das Verfahren ja auch einfach aus:
wir richten Stationen ein, auf denen 1-3 Mann ingenieur-technisches Personal von einem oder mehreren LVU arbeitet und die technische Abfertigung für alle die Station anfliegenden LVU der BV übernimmt. Solange ein Mitarbeiter dabei die Flugfreigabe für ein eigenes Flugzeug erteilt, ist juristisch alles klar. Wenn aber beispielsweise ein LOT-Mitarbeiter ein Flugzeug der ČSA wartet und für den Flug freigibt und anschließend ein Flugvorkommnis auftritt, was dann? Wer trägt die Verantwortung, was ist mit dem Ersatz materieller Verluste bei schuldhaftem Handeln? Die LOT hatte große Probleme mit ihrer Luftfahrtbehörde, die zunächst gar nicht zulassen wollte, dass Mechaniker fremder LVU an Flugzeugen der LOT arbeiten.
Abzustimmen war auch, nach welcher Wartungsvorschrift zu arbeiten ist – schließlich gab es Abweichungen der Vorschriften bei den LVU. Wie soll der Flugfreigabeschein aussehen? Wie soll die Liste „Defekte an der Flugzeugtechnik, mit denen zum Heimatflughafen zurückgeflogen werden darf“, etwas ähnliches wie im Westen die MEL (Minimum Equipment List), aussehen? Was ist mit der gegenseitigen Anerkennung der Lizenzen? Auf welcher Basis wurden denn die Lizenzen bei den einzelnen LVU erteilt, welches Ausbildungsprogramm gehört zum Erwerb der Lizenzen?
Es wurde dann veranlasst, dass sowohl die Juristen der BV als auch Vertreter der Luftfahrtbehörden sich dieser Fragen annehmen. Dazu wurden auch Experten-konferenzen abgehalten, ohne dass der Stein der Weisen gefunden worden wäre. Die Vereinheitlichung der Ausbildungsprogramme, auf alle Fälle der Mindest-anforderungen, sowie der Gestaltung der Lizenzen, wurden dann auch im WTR XI-16 und sogar auf RGW-Tagungen behandelt.
Es verwundert heute, dass damals bereits vorhandene Erkenntnisse der ICAO und der IATA nur zögerlich und spärlich in die Behandlung dieses Themas eingeflossen sind und das Fahrrad neu erfunden wurde.
Es wurde bald klar, dass eine solche Zusammenarbeit nur auf der Basis gegenseitigen Vertrauens gedeihen kann. Man einigte sich, dass das Stationspersonal für die Wartungsarbeiten und die Einsatzbereitschaft gerade steht, die Flugfreigabe für ein fremdes Flugzeug aber vom Bordingenieur oder dem Kommandanten verantwortet wird. Auch über die Gestaltung der Lizenzen wurde Einigung erzielt. Damit war dann die Arbeit auf den Stationen rechtlich einigermaßen geregelt.
Noch schwieriger gestaltete sich die Diskussion um´s liebe Geld, die gegenseitige Verrechnung. Erst 1987 haben die Finanzexperten der BV nach langen Debatten Verrechnungsprinzipien empfohlen, insbesondere zweiseitige Verrechnungen vorzunehmen, wozu es meines Wissens nicht gekommen ist.
Es wurde eher nach dem von AFL favorisiertem Prinzip der Ausgewogenheit gearbeitet, d.h. die proportionale Verteilung der SSTO zwischen den LVU sollte in Abhängigkeit von der Anzahl der Flüge über die SSTO erfolgen. So war es dann wohl auch, aber AFL hatte die meisten Flüge und trug nach wie vor auch den größten Kostenanteil. Die Technik der AFL hatte zunächst auch Probleme, die erforderlichen Mittel für die auszulagernde Ausrüstung von ihrem Generaldirektor genehmigt zu bekommen. Man führte zeitweilig eine Menge Teile an Bord mit, (die Russen haben dafür den niedlichen Ausdruck „Aptechka“ – ein Bord-Apothekchen aus Ersatzteilen), müllte die Frachträume voll und reduzierte damit die kommerzielle Zuladung. Erst als klar wurde, dass diese Methode auf Dauer teurer ist als die Auslagerung, wurde das Geld bereitgestellt.
BALKAN und MALEV waren zeitweilig als Beobachter auf den mehr als 20 SSTO-Tagungen vertreten, beteiligten sich aber nicht aktiv, da sie keine IL-62 betrieben.
Für Flüge innerhalb Europas, nach Nahost und Nordafrika, vorwiegend mit TU-134 und TU-154 bedient, setzten alle auf mitfliegende Techniker oder auf Durchführung der Transitkontrollen durch den Bordingenieur.
SSTO gab es in New York, Havanna, Bangkok, Singapur, Karachi, Delhi, Hanoi, Lagos, Luanda.
IF unterhielt lange Zeit eine SSTO in Karachi und hatte auch zeitweilig technisches Personal in Havanna, Luanda, Lagos,  Hanoi und Peking im Einsatz.
Für die Tätigkeit auf diesen Stationen, im kapitalistischen Ausland allgemein, kam nur politisch zuverlässiges, von Kaderabteilung und vor allem der Stasi im Hintergrund sorgfältig durchgechecktes Personal zum Einsatz. Auf das Genehmigungsverfahren hatte der BTFT keinen Einfluss, man konnte nur Vorschläge unterbreiten und musste abwarten, wie die Entscheidung aussah.. Das war gegenüber vielen fachlich befähigten Ingenieuren und Mechanikern, die einen solchen interessanten und mit Zahlung von Westvaluta verbundenen Job auch gern gemacht hätten, zutiefst ungerecht, rief Neid und Missgunst hervor.

SSTO-Konferenz Prag 1983, links der Autor, rechts Reinhard Lindner, damals verantwortlich für Wartung im Ausland

4. Bilaterale Zusammenarbeit

Vertragsgebundene bilaterale Zusammenarbeit gab es mit CSA und MALEV, die im planmäßigen, systematischen Herangehen an die Lösung von Problemen der Instandhaltung die größten Ähnlichkeiten mit IF aufwiesen. Der Leiter der Ingenieurabteilung der ČSA, Herr Smola, war ein sehr guter Experte in theoretischen Instandhaltungsfragen, nahm an internationalen Seminaren und Workshops teil und hatte Beziehungen zu einigen westlichen Airlines. Immerhin waren die ČSA und die LOT schon seit 1945 IATA-Mitglied. Dadurch  erhielt er hin und wieder interessante technische Dokumente.  IF waren diese Quellen nicht zugänglich, aber über die ČSA erhielt ich 1976 eine Gliederung des Technischen Betriebshandbuches der Deutschen Lufthansa. Das war eine gute Anregung, das „Handbuch für den Technischen Dienst“ der IF in jahrelanger, mühseliger Arbeit zu entwickeln.
Die ČSA hatte, in Abstimmung mit den Konstruktionsbüros Ilyushin und Tupolev, und auf der Basis theoretischer Instandhaltungsmethodiken, die Wartungsvorschriften der IL-62 und TU-134 weiterentwickelt, wovon wir profitieren konnten. Bei IF gab es viele Ingenieure, die vorher als Flugzeugmechaniker gearbeitet hatten und damit eine hohe Praxisverbundenheit besaßen. Das schlug sich in vielen greifbaren, praktischen Maßnahmen und Entwicklungen zur Verbesserung der Flugzeuginstandhaltung nieder und man konnte beobachten, dass die IF hier einige Ergebnisse mehr vorzuweisen hatte als andere LVU. Mit dem Austausch dieser Ergebnisse konnten wir einander helfen.
Die MALEV zeichnete sich vor allem durch eine sehr gute technologische Arbeit in Form von Wartungskartengestaltung und Ablaufplänen aus. 1972 informierten wir uns ausführlich über die Arbeiten bei MALEV auf diesem Gebiet, was dann maßgeblich zur Entscheidung führte, die ehemalige Abteilung „Technologie“ der IF in „Ingenieur-Technische Abteilung“ umzubenennen und eine neue Abteilung „Technologie“ zu gründen, die sich dann tatsächlich mit der Durchdringung des Wartungsablaufes beschäftigte.
Weitere Themen der Zusammenarbeit betrafen Ursachen von TW-Ausfällen, Korrosion, Einsatz von PUR-Lack, Flugzeugaußenreinigung, Bau von Prüfständen.

 

5. Expertenkonferenzen

Im Arbeitsplan der Konferenzen der Technischen Direktoren wurde festgelegt, zu welchen Themen Expertenkonferenzen stattfinden, um die Lösung diffiziler oder arbeitsintensiver Probleme schneller voranzutreiben.

Eine der ersten Ausarbeitungen betraf die Schaffung von Katalogen nach der Norm ATA-100 für die Flugzeugtypen IL-18, TU-134 und IL-62, was für die Ermittlung von Zuverlässigkeitswerten der Technik unabdingbar war. Schließlich reichte die Datenbasis für die kleine Flotte, die ein LVU besaß, nicht aus, um relevante Aussagen zur Zuverlässigkeit der Anlagen, Systeme, Baugruppen, Geräte oder gar der Einzelteile treffen zu können. Je mehr Daten -  umso besser, denn die Zuverlässigkeitswerte wie der k1000-Wert, also die Anzahl der Ausfälle oder Defekte auf 1000 Flugstunden, und ihre tendenzielle Entwicklung waren wiederum wichtig für Entscheidungen beim Übergang zur Wartung nach technischem Zustand. Eigentlich wäre die Erarbeitung der Kataloge eine Aufgabe der Konstruktionsbüros Ilyushin, Tupolev und Antonov gewesen, aber die hatten ja nicht einmal die Technische Dokumentation nach dem ATA-100-System gegliedert!
Es wurde darüber gestritten, ob man sich auf 6 Dezimalstellen und damit auf Systeme, Subsysteme und Sub-Sub-Systeme, also auf das Level von Geräten beschränkt oder noch mehr Dezimalstellen zulässt, um auch die letzte Diode in Schaltplänen einzeln identifizieren zu können. Letzteres war kaum machbar, und es blieb beim vernünftigen Kompromiss, die Kataloge auf 6 Dezimalstellen auszulegen. Gemäß Arbeitsteilung erarbeitete die ČSA den ATA-100-Katalog für die IL-62, die IF für die TU-134, die MALEV für die IL-18 und die LOT für die AN-24. Diese ATA-100-Kataloge leisteten gute Dienste bei der Optimierung  von Instandhaltungsmaßnahmen.
Es fanden weitere Expertenkonferenzen zur Wartung nach technischem Zustand, zur Wartung elektronischer Ausrüstung, zu TW-Problemen, zur Vereinheitlichung der Belege der Reparaturdokumentation, zu operativen Arbeitsablaufplänen, zu automatisierten Steuerungssystemen der Flugzeuginstandhaltung und zur materiell-technischen Versorgung statt, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.
Eine Sonderstellung nahm die jährliche Expertenkonferenz zum Kennziffern-vergleich der LVU ein. Hier wurden solche Kennziffern verglichen wie jährliche Flugstunden pro Typ und auch Flugzeugexemplar im Einsatz, Mannstunden-aufwand pro Flugstunde, Kostenaufwände für die Instandhaltung u.v.a.m.
Die Hauptschwierigkeit bestand darin, überhaupt eine Vergleichbarkeit herzustellen, da die Strukturen und die Verhältnisse unterschiedlich waren. Bei einigen LVU gehörte die Materialwirtschaft zur Technik, bei IF nicht. Manche hatten technologische Abteilungen, andere nicht.  Das setzte zunächst Definitionen von dem voraus, was man vergleichen will.
Die AFL nahm nach einiger Zeit nicht mehr an diesen Tagungen teil, da ihr
die Mehrarbeit, um ihre Statistik und ihre Daten mit anderen LVU vergleichbar zu machen, zuviel war. TAROM, Cubana und MIAT waren an diesem Vergleich nicht interessiert, so dass praktisch nur CSA, LOT, MALEV und IF zusammenarbeiteten.
Es ist bedauerlich, dass heute keiner dieser Kennziffernspiegel mehr auffindbar ist, so dass es an der interessanten Einschätzung fehlt, wer denn nun effektiver gearbeitet hat.

 

6. Die Ständige Kommission für Zivilluftfahrt des RGW und ihr Wissenschaftlich-Technischer Rat XI-16

Im RGW gab es viele Ständige Kommissionen mit Sekretariaten mit Sitz im Hauptgebäude des RGW in Moskau, das die Form eines aufgeklappten Buches hat und in dem es von Aktentaschenträgern, die mit wichtigtuender Miene herumliefen, nur so wimmelte. Darunter befand sich auch die Ständige Kommission für Zivilluftfahrt (SKZL).
Die DDR wurde auf den Tagungen der SKZL durch den Leiter der Haupt-verwaltung für Zivile Luftfahrt, Paul Wilpert und später durch den Stellvertreter des Ministers für Verkehrswesen, Dr. Klaus Henkes, vertreten. Selten verirrten sich Themen aus den Niederungen der Flugtechnik auf die Tagesordnung dieses Gremiums, aber immerhin hatte ich dreimal Flugtechnik-Themen als Mitglied der Delegation der DDR zu vertreten: 1973 in Prag, 1980 in Split und 1985 in Sofia. In allen Fällen waren das Themen, die zuvor im Wissenschaftlich-Technischen Rat (WTR) XI-16, einer der Körperschaften der Ständigen Kommission für Zivilluftfahrt , behandelt worden waren. Und nur von der Tätigkeit dieses WTR soll jetzt hier die Rede sein.

Im WTR XI-16 wurden wissenschaftlich-technische Ausarbeitungen diskutiert und vervollkommnet, die als Grundlage für die Tätigkeit diverser Organisationen in der Zivilluftfahrt allgemein, also nicht nur der LVU des Verkehrsfluges, dienten.
Solche Ausarbeitungen konnten nur von wissenschaftlich-technisch geprägten Institutionen stammen, über die in erster Linie die SU, in stark verringertem Maße die ČSSR und die VRP als Luftfahrttechnik-Herstellerländer verfügten. Der Beitrag der DDR dazu war sehr gering und beschränkte sich auf Stellungnahmen zu den ausgearbeiteten Materialien, bestenfalls auf Verbesserungsvorschläge. Nach Überarbeitung wurde das Material auf einer Tagung der SKZL meist gutgeheißen und „zur Anwendung empfohlen“, was in der verklausulierten juristischen RGW-Sprache bedeutete, dass es verbindlich ist. Um sich darauf nicht festzulegen, ließ die rumänische Delegation dann jedes Mal in das Protokoll der SKZL-Tagung schreiben, dass sie das Material lediglich zur Kenntnis nimmt. Das war schon ein eingespieltes Ritual!

Die Ausarbeitungen stammten in aller Regel aus folgenden sowjetischen Quellen:

GosNIIGA (Gosudarstvenniy Nauchno-Issledovatelskiy Institut Grazhdanskoi Aviatsii – Staatliches Wissenschaftliches Forschungsinstitut der Zivilluftfahrt)
GosNIIERAT (Gosudarstvenniy Nauchno-Issledovatelskiy Institut po Ekspluatatsii i Remontu Aviatsionnoi Tekhniki
- Staatliches Wissenschaftliches Forschungsinstitut für Betrieb und Instandhaltung von Luftfahrttechnik)
LII (Lyotno-Ispytatelniy Institut – Flugerprobungsinstitut)

Im Laufe von ca. 25 Jahren wurden viele Probleme bearbeitet, bedeutsame und umfangreiche, nebensächliche und weniger umfangreiche.
Hier nur eine kleine Auswahl von denen, die für INTERFLUG wichtig waren:

- Progressive Instandhaltungsmethoden
Zwischen 1973 und 1979 wurden, vorwiegend erarbeitet vom GosNIIERAT, richtungsweisende Unterlagen geschaffen wie „Erarbeitung methodischer Hinweise zur Auswahl rationeller Instandhaltungsmethoden ...auf der Grundlage von Zuverlässigkeitsanalysen und der Kontrolltauglichkeit der Systeme und Geräte“, „Einheitliche Methodik zur Einschätzung des technischen Zustandes der Systeme des Flugzeugtyps TU-134 ...“ sowie 4 weitere Materialien. Im BTFT wurden diese Ausarbeitungen vereinheitlicht und in Form der Broschüre „Instandhaltung nach technischem Zustand“ dem gesamten ingenieur-technischem Personal zugänglich gemacht und auch für Unterrichtszwecke verwendet.
- Gemeinsame Nutzung von Großraumflugzeugen, gemeint war die IL-86
Das warf viele Probleme auf. Wie soll die gemeinsame Nutzung aussehen? Wer fliegt damit wohin? Wo sind die Flugzeuge stationiert? Wer bezahlt was? Das waren alles eher juristische Probleme, der WTR war inkompetent. Am Ende ist daraus auch nie etwas geworden, nur die AFL betrieb die IL-86.
- 1976/77 wurde an der Methodik für die Forderungen an ein Mittelstreckenflugzeug gearbeitet, das 1985/90 die TU-154 ablösen sollte.
Eine Grundsatzfrage stand dabei zur Diskussion: Wir projektieren ein Flugzeug von morgen mit den Maßstäben und Normen von heute. Wo bleibt da der Fortschritt? Wenn die Normen von morgen noch nicht bekannt sind, hat dann der Konstrukteur das Recht, mit den jetzt gültigen Normen zu arbeiten oder muss er prognostizieren. Die Frage wurde nicht ausdiskutiert.
- 1983 Beginn der Erarbeitung Einheitlicher Lufttüchtigkeitsvorschriften ENLG (Ediniye Normy Lyotnoi Godnosti)
Sie lehnten sich stark an die damals gültigen JAR und FAR an und lösten die alten sowjetischen Vorschriften ab. Es gab aber auch einige Unterschiede, die große praktische Bedeutung hatten. So legten sich die ENLG auf das metrische Maßsystem fest. IF und andere LVU mussten deshalb für Flüge in das westliche Ausland zusätzliche Einbauten wie z.B. Fußhöhenmesser vornehmen, um sich dem westlichen Maßsystem anzupassen. Der Sicherheitsfaktor für die Festigkeitsberechnung der Zelle betrug 1,5 und damit mehr als in den JAR oder FAR festgelegt. Damit waren sowjetische Flugzeuge von vorn herein schwerer und ökonomisch gegenüber ihren westlichen Konkurrenzmustern benachteiligt. Die deutsche Übersetzung der ENLG umfasst 476 Seiten, also ein recht umfangreiches Werk, in dem viel Arbeit steckt.
- Maßnahmen zur Kraftstoffökonomie
- Umweltprobleme, speziell Fluglärm
- Gemeinsames Ausbildungszentrum für Piloten, ingenieur-technisches Personal und Flugleiter in Ulyanovsk
-Entwicklung der Zivilluftfahrt bis zum Jahr 2000 (im Arbeitsplan 1983-84)
Hier ging es darum, den Bedarf im RGW an Passagier- und Frachtbeförderung zu prognostizieren und das möglichst genau und wissenschaftlich.

WTR XI-16 in Havanna 1980. Am Tisch stehend laden der Sekretär des WTR und der Konferenzorganisator zur Protokollunterzeichnung ein.
In der Reihe 2. von links – der Autor.

Wie bereits erwähnt, trug die Hauptlast bei der Erarbeitung der Unterlagen die sowjetische Seite. 1983 wurde vom Sekretariat des RGW die Frage auf den Tisch gebracht, wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit in Zukunft nur auf Vertragsbasis bei gegenseitiger Verrechnung zu organisieren. Logischerweise waren Länder, die nichts ausarbeiteten und nur profitierten, wie die DDR und die UVR, dagegen. Möglicherweise sah es in anderen Ständigen Kommissionen ganz anders aus.
Auf alle Fälle ist die Arbeit an den verschiedenen Themen am Geld nicht gescheitert, sie lief bis zum Ende des RGW  weiter.


7. Kommission Reparaturspezialisierung im RGW

Die Wartungsvorschriften für die sowjetische Flugzeugtechnik sahen in aller Regel die Wartungsformen A, B und C vor, die beim Halter ausgeführt wurden, ähnlich wie für westliche Flugzeugtechnik auch. Während im Westen nun der D-Check von großen Fluggesellschaften selbst ausgeführt wurde, gab es für die sowjetischen Flugzeuge noch die klassische Grundinstandsetzung (GIS) in Gestalt der „Reparaturformen RF1, RF2,...”. Diese führte nicht der Halter aus, sondern die Flugzeuge wurden dazu spezialisierten sowjetischen Reparaturwerken übergeben.
Die „ARZ” (Aviaremontnye Zavody – Luftfahrt-Reparaturwerke)  unterstanden der Allunions-Vereinigung „Aviaremont” innerhalb des Ministeriums für Zivilluftfahrt der UdSSR. Es gab eine recht große Anzahl von diesen Reparaturwerken, allerdings nicht so viele, wie die Werknummer glauben lässt. Die Nummern hatten sicher eine andere Ursache oder sollten den „Klassenfeind“ verwirren.  Für die bei IF im Verkehrsflug eingesetzten Flugzeugtypen waren folgende ARZ zuständig:

IL-18 Werk Nr. 402 in Moskau / Bykovo
AN-24 Werk Nr. 410 in Kiew
TU-134 Werk Nr. 407 in Minsk und Werk Nr. 412 in Rostow am Don
IL-62 Werk Nr. 243 in Taschkent


Diese oder andere ARZ führten auch die GIS der Hilfsenergieanlagen (APU), der Hydraulik-, Kraftstoff-, Klima- u.a. mechanischen Geräte sowie der Avionik aus, mitunter auch die GIS der Triebwerke, welche aber meist in den Herstellerwerken der TW erfolgte.

Die ARZ waren im Laufe der Jahre immer mehr überlastet und an den Grenzen ihrer Möglichkeiten, so dass sich 1975 der Minister für Zivilluftfahrt Bugaev an den Minister für Luftfahrtindustrie Dementev wandte und ihn informierte, dass er die GIS für exportierte Flugzeuge nicht mehr garantieren kann. Dem Minister für Luftfahrtindustrie waren die Vereinigungen „Aviaexport” und „Aviazagranpostavka” (Abkürzung für Luftfahrt-Auslandsbelieferung) zugeordnet, die für den Verkauf von Flugzeugen und die Belieferung mit Flugzeugersatzteilen, Dokumentation - den Kundendienst allgemein -  zuständig waren. Die sowjetische Seite war vertraglich verpflichtet, den Betrieb der Flugzeuge nach dem Verkauf durch diese Dienstleistungen und die Gewährleistung der GIS abzusichern.

Allgemein beklagt wurden viel zu lange Durchlaufzeiten bei der GIS. So standen die ersten IL-62 von AFL und CSA, die zur GIS nach Taschkent kamen, 14 Monate im ARZ 247! LOT kritisierte die Reparaturdauer einzelner Triebwerke D30KU und NK 8 von 18 Monaten bei einer Vertragsdauer von 180 Tagen. Da war es dann 1981 schon ein großer Erfolg, dass die Durchlaufzeit der TU-134 im Minsker ARZ von durchschnittlich 70 auf 65 Tage verkürzt werden konnte.

Zur Entlastung der sowjetischen ARZ wurde intensiv  nach Kapazitäten in anderen RGW-Ländern gesucht.  Dabei geriet auch die VEB Flugzeugwerft Dresden, wo Militärtechnik (Jagdflugzeuge der MiG-Serie und Hubschrauber Mi-2, Mi-4, Mi-8, Mi-24) repariert wurde, in das Visier der Kapazitätsfahnder. Von DDR-Seite wurde aber abgeblockt, noch andere Technik zur Reparatur zu übernehmen.

Um Sicherheit in den langfristigen Betrieb der Technik zu bringen und die Planung der GIS zu verbessern, wurde 1975 in Neptun, Rumänien, im Rahmen des RGW ein Abkommen mit dem sperrigen Titel „ Abkommen über die multilaterale internationale Spezialisierung der Reparatur von Fluggeräten, Flugzeugtriebwerken und Aggregaten der Mitgliedsländer des RGW“ abgeschlossen, das für die DDR vom Verkehrsminister Otto Arndt am 13.7.1975 unterzeichnet wurde. Es besteht aus XIV Artikeln, 3 Anlagen mit mehreren Tabellen über die Aufschlüsselung der zu reparierenden Nomenklatur.
Es gibt Abkommenspartner, die sich auf Reparaturen gemäß Anlagen 1 - 3 spezialisieren und sich verpflichten, diese in hoher Qualität auszuführen und dazu rechtzeitig Verträge mit den kompetenten Außenhandelsorganen der interessierten Länder abzuschließen. Abkommenspartner, die sich nicht für eine Reparatur spezialisieren, verpflichten sich, ihren Bedarf rechtzeitig anzumelden, ihre Betriebserfahrung betreffs der zu reparierenden Nomenklatur sowie Hinweise zur Erhöhung der Reparaturqualität weiterzugeben.
Es wurde eine „Kommission für Reparaturspezialisierung” gegründet, die jährlich einmal tagte, reihum in den beteiligten Ländern nach dem russischen Alphabet.

Flaggen der beteiligten RGW-Länder

Die Spezialisierung sah 1975 folgendermaßen aus:

VRB AN-2
UVR KA-26
VRP AN-24, MI-2, MI-15, PZL-106
SRR     AN-2, AN-24, IL-14, IL-18
ČSSR L-200, Z-37, Z-526
UdSSR praktisch alles, außer o.g. Positionen, besonders die Flugzeuge IL-62, TU-154, TU-134, IL-18, AN-24..., ihre Triebwerke und Aggregate

Die DDR, die Republik Kuba und die MVR übernahmen keine Reparaturen.

Auf den  Jahrestagungen wurde der Reparaturbedarf an ziviler Luftfahrttechnik der RGW-Länder, auch ziviler Technik, die bei den Streitkräften des Warschauer Paktes im Einsatz war, auf 5 Jahre im Voraus abgestimmt. Deshalb waren in den Delegationen der Länder Vertreter unterschiedlicher Organisationen oder Unternehmen.

Die Delegation der DDR hatte über mehrere Jahre folgende Zusammensetzung:

Harald Franke, INTERFLUG Verkehrsflug, Delegationsleiter
Bernd Wunderlich, INTERFLUG Agrarflug
Bernd Köhler, INTERFLUG Verkehrsflug, Koordinator Reparaturspezialisierung
Oberst Günther Schmiedel, NVA    
Friedrich Ebersbach, GST
Kurt Hagemann, VEB Flugzeugwerft Dresden

Kurt Hagemann, Friedrich Ebersbach, Bernd Köhler,
Günther Schmiedel

Harald Franke (2.v.r.), Bernd Wunderlich (1.v.r.)

Die Suche nach Kapazitäten in anderen als den Herstellerländern der Luftfahrt-technik brachte keinen großen Erfolg. Die ČSA hat einige Reparaturformen RF1 an der IL-62 selbst gemacht und in Rumänien wurde für den Eigenbedarf die GIS der IL-18 und AN-24 ausgeführt. Auch Polen hat wohl versucht, die GIS der AN-24 zu schultern. Für andere Länder ist dabei aber nichts herausgekommen. Schließlich waren die Reparaturbetriebe von den Ersatzteillieferungen der Hersteller abhängig und schon im Instandhaltungsprozess der LVU kam es immer wieder zu Engpässen bei der Lieferung bestimmter Teile.

Diskutiert wurde auch über die Qualität der GIS, über die Vielzahl der bei den Abnahmen der Flugzeuge festgestellten Beanstandungen, insbesondere auch über die schlechte Qualität der Lackierung. Alle Reparaturwerke hatten für die Lackierung nicht ausreichende Bedingungen, es gab keine speziellen, gut ausgerüsteten Lackierhallen, und im Winter betrugen die Temperaturen in den Hangars oft nur 11-12 oC, die Lackiertechnologie erforderte aber wenigstens 20oC. Mehrfach wurden Forderungen nach Einführung von PUR-Lack erhoben. Die sowjetische Seite bemühte sich auch darum, aber wie schon Bertolt Brecht sagte: „Wir wären gern gut anstatt so roh, doch die Verhältnisse, sie sind nicht so“. Wegen dieser schlechten technologischen Verhältnisse blieb es beim alten Lack, der nach einem Jahr anfing zu reißen, abblätterte und sich schlecht reinigen ließ.

Das Abkommen wurde zweimal um jeweils 5 Jahre verlängert, im Mai 1986 unterschrieb Dr. Klaus Henkes in Sofia als Stellvertreter des Ministers für Verkehrswesen die Vertrags-Verlängerung für 1986 – 1990.

Alles in allem brachte diese Tätigkeit der Kommission einen gewissen Fortschritt, aber keinen Durchbruch. In der Sektion Transport des RGW wurde über eine Vereinbarung zum Bau eines gemeinsamen Reparaturwerkes in der SU diskutiert, wo mir aber der letzte Stand der Dinge nicht bekannt ist. Leider ist das praktisch bis zum Ende der INTERFLUG nicht zum Tragen gekommen.

Viel wichtiger war es, mit den ARZ gute Kontakte zu knüpfen und direkte Beziehungen aufzubauen. So hatte die IF mit den ARZ in Minsk und in Taschkent Freundschaftsverträge abgeschlossen. Es fanden Qualitätskonferenzen statt, wo man gemeinsam Mängel bei der Durchführung der GIS auswertete. Zum besseren gegenseitigen Verständnis trug auch der Austausch von Mitarbeiterdelegationen bei, die für 1-2 Wochen in Erholungseinrichtungen des Partners untergebracht und im Rahmen der meist bescheidenen Mittel und Möglichkeiten betreut wurden.
Auch der Einsatz von „sozialistischen Beschleunigern” in Gestalt von ein paar Kästen Radeberger Pilsner im Frachtraum bei der Übergabe von Flugzeugen an das ARZ halfen, manches Sonderproblem erfolgreich und schnell zu lösen. Nicht umsonst sagt ein usbekisches Sprichwort: ”Der gute Gast stößt die Tür mit den Füßen auf, weil er die Hände braucht, um die Geschenke zu tragen”.
Leider hatten die bei IF für die Finanzen Zuständigen für diese Art von Humor keine Ader, blieben prinzipientreu und rückten nur selten etwas heraus.


Harald Franke
Berlin, den 07.02.2009

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