Die alte INTERFLUG im www Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG |
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Fliegen am Boden |
Flugverkehr - heute schon ähnlich dicht wie der Verkehr auf unseren Straßen. Nur: In der Luft kann man nicht mit Ampeln und Verkehrszeichen Ordnungschaffen, Piloten können nicht »rechts ranfahren« und mal unter die Motorhaube schauen.
Für sicheres und geordn~tes Fliegen, für technisch einwandfreie Maschinen wird am Boden gesorgt. Mit großem Aufwand überwachen alle Luftverkehrsunternehmen
den Luftraum und den Zustand ihrer Flotte. Doch wie und wo Flugsicherungsspezialisten
und Wartungstechniker arbeiten, bleibt den Menschen stets verborgen. Wer dirigiert eigentlich den Flugverkehr? Was passiert mit einem Flugzeug, bevor es in den Himmel aufsteigt? Was fühlen Flugleiter und Techniker, wenn sie täglich ~as Leben Tausender Menschen verantworten? 'Fragen, die viele Passagiere bewegen. NBI war 16 Stunden in zwei Schichten bei der Interflug zu Gast: Aus dem Anflugkontrollzentrum und der Werft im Südteil des Flughafens Berlin-Schönefeld berichten Ilona Rothin (Text) und Gerhard Kiesling (Fotos). |
Minuten, die mir wie Stunden erscheinen. Das Lichtergewimmel wird weniger. Die Maschinen fliegen in den Radarbereich des Nebenmannes, der nun die weitere Kontrolle übernimmt.Der Prozessleiter lehnt sich zurück. Er wirkt ruhig trotz des Stresses. Hektik können sich Flugleiter nicht leisten. Eine »Berührung« der Maschinen ist eine optische Täuschung des Laien. »Das tägliche Brot des Flugleiters«, so Eckart Gerlof, »bedeutet schlicht, Flugzeuge in verschiedenen Bahnen unterzubringen, sie in Zeit, Entfernung und Höhen zu staffeln. Darin liegt die wichtigste Verantwortung des Flugleiters, Maschinen, die in gleicher Höhe und Flugrichtung fliegen, haben immer einen Mindestabstand von sechs Kilometern. Die Höhendifferenz zwischen zwei sich begegnenden Flugzeugen beträgt mindestens 300 Meter. Wer sie nicht einhält, wird sofort korrigiert.« Aber wenn das nur immer so einfach wäre. Heftige Winde, Böenwalzen, Gewitter und Turbulenzen reichen aus, um die Maschinen von der Bahn abzubringen -und alle Berechnungen waren umsonst. Und genauso passiert's. |
Kurz vor 17.00 Uhr. Eine Malev-Maschine aus Ungarn kündigt sich zwei Minuten früher an. Jetzt muss alles Hand in Hand gehen. 120 Sekunden haben stundenlange Vorbereitungen über den Haufen geworfen. Nicht nur diese Maschine, sondern für alle, die zur gleichen Zeit unterwegs sind, müssen völlig neue Flugdaten plus Sicherheitstoleranzen errechnet werden, um ein Zusammentreffen der Flugzeuge zu verhindern. Dreidimensionale Vorstellungskraft, mathematisches Talent und immer wieder Gefühl fürs Fliegen sind Voraussetzung, in diesen Situationen zu bestehen. Die Prüfungspflicht vor Schichtbeginn erscheint mir jetzt besonders sinnvoll. Es riecht nach Kaffee. Der Prozessleiter Gerlof achtet darauf, dass sich jeder Pausen gönnt. Bis Schichtende ist fast jeder Flugleiter einmal mit Kaffee kochen dran gewesen. Die enorme Konzentration schlaucht. 25 An-und Abflüge pro Stunde, manchmal im zwei-Minuten-Rhythmus, um die 200 Flugbewegungen pro Tag. So scheint es verständlich, dass die Leistungsgrenze der Flugleiter international bei 35 bis 40 Jahren liegt trotz regelmäßiger medizinischer Kontrolle und therapeutischer Betreuung. Flugleitern werden von der Interflug, wenn sie einmal »runter sind vom Schirm«, Qualifizierungslehrgänge und Umschulungen angeboten und sie können anschließend zumeist wieder in technischen Einrichtungen der Interflug arbeiten. Es geht auf 22.00 Uhr zu. Schichtende. |
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Für die Flugleiter heißt das Schichtauswertung.Was ist gut gelaufen, was hätte noch besser sein können, die Arbeit jedes einzelnen wird eingeschätzt. Eckart Gerlof entläßt jeden mit Dank und Handschlag für den geleisteten Einsatz. Wir klettern noch auf einen Abstecher hinauf zum Tower, der genau über dem AnflugkontroHzentrum liegt. Die Maschinen, die wir eben noch als »Kästchen« auf den Radarschirmen sahen, sind vom Tower auf den letzten Kilometern übernommen und auf einen Standplatz vor dem Flughafengebäude dirigiert worden. Durch den Feldstecher sieht man, wie zwei Flugzeuge von Schleppern an den Haken genommen werden. Ihr Weg führt in die Werft. Flugsicherheit in der Luft garantieren die Männer im Anflugkontrollzentrum. |
Von Bemd Jörgens sind jetzt nur noch die Beine zu sehen. Er ist ins Triebwerk hineingekrochen. Sein dedektivischer Spürsinn geht sogar so weit, daß er nach Materialschwächen sucht, die noch gar nicht zu sehen sind. "Man kann ja nie wissen", schallt es aus dem Triebwerk, "vielleicht ist drunter schon was faul, was oben noch nicht zu sehen ist". Bemd Jörgens klettert geschickt das mehrgeschossige Stahl-Dock herunter. Er trägt seinen optischen Befund in ein "Gesundheitsblat" ein und schreitet sodann bedeutungsvoll in Richtung Materiallager. Zurück kehrt er mit einem "Suchtrupp". Nicht aus Menschen bestehend, sondern aus elektronischen »Spähern«: Endoskope, Ultraschall-, Wirbelstrom-und Magnetprüfgeräte. Mit ihnen werden, wie bei einer Magenund Darmspiegelung, Verdichter, Turbinenschauflung und Brennkammer inspiziert. Ganz komplizierte Winkel werden sogar via Fernsehschirm überprüft. » Der Aufwand ist berechtigt, viel steht auf dem Spiel«, so Bernd Jörgens über seine Arbeit. » Unsere Triebwerke halten schließlich die Leute in der Luft. Die Sicherheit für sie wird bei uns am Boden gemacht.« |
Unsere zweite Schicht bei der Interflug ist zu Ende. Doch Bernd Jörgens geht noch nicht nach Hause. Er steigt hinab zu einem langgezogenen Pult, direkt unter dem Heck der Maschine. Ohne Feierabendhast blättert er ruhig in Technologien, Lebenslaufakten, Wartungsvorschriften. Er zückt einen Stempel -jeder Triebwerksmechaniker hat seinen eigenen -und quittiert mit lautem Krachen jeden seiner Arbeitsschritte. Sein Meister schaut ihm über die Schulter. Kontrolliert. Sind die Motoren einer IL-62 im Auftragsbuch des Meisters gestrichen, werden die Triebwerksgondeln noch lange nicht geschlossen. Dann kommen nochmals Kontrolleure, die Prüfer, ein Team von absoluten Experten, die alles noch einmal auf den Kopf stellen. Zum dritten Mal. Triebwerksarbeiter zu sein heißt, zu kontrollieren und ein Leben lang kontrolliert zu werden. Bemd Jörgens ist seit 12 Jahren bei der Interflug. Gekränkte Eitelkeit, Unehrlichkeit oder falsch verstandener Kollektivgeist sind in seinem Beruf fehl am Platz. »Wenn ich mit meinen Händen in ein Triebwerk greife, habe ich die Sicherheit eines Flugzeuges, also das Leben vieler Menschen in der Hand. So ist es nur recht, daß mich und meine Arbeit viele kontrollieren. Jeder macht Fehler, sagt der Volksmund. Das gilt auch für uns. Nur wir können es uns nicht leisten, die Fehler mit nach Hause zu nehmen!« |