Die alte INTERFLUG im www
Historische Betrachtungen zur einstigen DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG

last updated:
07.06.2017


Revision 3.0
Atlantikflüge IL-62



Navigation über dem Atlantik
Am 3. November 1974 eröffnete INTERFLUG die Atlantiklinie Berlin - Havanna - Berlin mit dem Langstreckenjet IL-62. Seit September 1973 wurden schon mehrere Charter- und Sonderflüge mit der IL-62 über dem Nordatlantik durchgeführt. Hierfür wurden die Flugzeuge DM-SEF, DM-SEG und DM-SEH eingesetzt, die mit den amerikanischen Navigationsanlagen LORAN-EDO-1200 ausgerüstet waren. Die Voraussetzung für die weltweiten Langstreckenflüge war die Ausrüstung mit der Flugregleranlage SAU-1 und der Verknüpfung mit den anderen Anlagen. Die Autopilotanlage SAU-1 bildete mit folgenden Anlagen für die Langstreckenflüge ein zuverlässiges Flugregler- und Navigations-System:



die Horizontzentrale ZGW-10 SAU-1
die Kurskreiselanlage TKS-P
der Luftdatenrechner SWS-PN-15
der Navigationsrechner NW-PB
die Doppleranlage DISS-013 und die Navigationsanlage KURS-MP
 
Blockschema der Autopilotanlage SAU-1 (System automatischer Steuerung) in Verbindung mit anderen Anlagen

Zur Erhöhung der Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit wurden einzelne Anlagen redundant ausgeführt:
die Horizontzentrale ZGW-10 dreifach, die Kurskreiselanlage TKS-P und der eigentliche Autopilot doppelt.



Atlantikflüge
mit dem LORAN-Ortungssystem
In der 1. Hälfte der 70er Jahre benutzte INTERFLUG die LORAN-Technik für ihre Atlantikflüge. Verwendet wurden die amerikanischen Navigationsanlagen LORAN-EDO-1200.
Dieses Funkortungssystem für Differenzentfernungsmessung mit Impulsmodulation arbeitet im Frequenzbereich zwischen 1750 kHz und 1950 kHz. Bei diesem Verfahren kann durch die Messung der Impulslauf-Differenz von mindesten zwei Senderpaaren mit Hilfe von LORAN-Karten der Standort des Flugzeuges festgestellt werden. Die Schulung des technischen Personals zur Wartung dieser Navigationsanlagen erfolgte an der Ing.-Hochschule für Seefahrt Warnemünde/Wustrow im November 1973. Dabei wurden die Theorie und Praxis dieses Navigationssystems vermittelt. In der Praxis wird am Flugzeugstandort die Laufzeitdifferenz von Impulsen von zwei Senderpaaren auf einem Bildschirm gemessen und auf der LORAN-Karte ausgewertet.
Für die Vermittlung des Lehrstoffes des Standard-Ortungsverfahrens wurden an der Ing.-Hochschule für Seefahrt nur wenige Tage benötigt. Zum Lehrgangsende fand eine praktische Einweisung an briti-schen Militär-Flugzeugbordanlagen statt, wobei jeder Lehrgangs-Teilnehmer seine erworbenen Kenntnisse in die Praxis umsetzen konnte.

Loran

Übersichtskarte der LORAN-Station ILO (linkes Bild) und Bildschirmanzeige zur Messung der Impulse des Leitsenders M und des Nebensenders S  (rechtes Bild)


Interflug-Atlantikflüge mit Hyperbelnavigation

In den Jahren 1973 bis  1977 wurde von INTERFLUG das amerikanische Ortungssystem LORAN-A als Navigations-Hilfsmittel bei Atlantikflügen genutzt. Bei der Mehrzahl der Charterflüge nach Kuba wurden Schiffsbesatzungen der Übersee-Fischfangflotte des VEB Fischfangkombinats Rostock nach Havanna geflogen.
Im Nordatlantik-Luftverkehr wurde ein flexibles Tracksystem angewendet. Anhand der Wetterbedingungen wurde jede Nacht von den Flugsicherungsstellen das Flugwegsystem neu festgelegt. Die hohe Flugdichte bedingte das genaue Einhalten der Staffelungshöhe und vorgegebenen Überflugspunkte von den Nutzern.
Die Flugroute der IL-62 der INTERFLUG führte über Schottland nach Neufundland, wo auf dem Airport Gander ein Tankstop eingelegt wurde und die Crew wechselte.

NAT

Das Nordatlantik-Tracksystem mit Höhenangaben in Fuß (330 entspricht 33000 Fuß = 10 050 m)

Von Sept. 1974 bis Mai 1976 gab es Differenzen mit Kanada. Die neue Atlantikroute nach Kuba führte über London bis zum Funkfeuer "Lands End", um dann mit Südwestkurs bis zu den Azoren zu fliegen. Auf der Insel Santa Maria erfolgte ein Tankstop. Bei der Atlantiküberquerung wurden die Bermuda-Inseln und die Bahama- Inseln überflogen. Zur technischen Sicherstellung dieser Kuba-Flüge flog jeweils ein Wartungsingenieur der Flugtechnik mit. Um die Einsatzbereitschaft der installierten zwei amerikanischen LORAN-Anlagen EDO-1200 zu sichern mußten zusätzliche Ersatzanlagen mitgeführt werden, da die Zuverlässigkeit dieser Anlagen unzureichend war.


Atlantikflüge mit dem Funkortungssystem OMEGA

Interflug  nutzte das OMEGA-Ortungssystem ab Frühjahr 1978. Als erste IL-62 war die DM-SEC mit zwei ONS-VII-Bordanlagen ausgerüstet. Ein Werksvertreter der DYNELL Electronics Corpo-ration aus New York vermittelte in der Werft Diepensee die Theorie des OMEGA-Systems und trainierte mit dem technischen Personal der Flugtechnik die Bedienung und Arbeitsweise der ONS-Bordanlagen. Parallel zum Unterricht hatte Mr. Bohachef noch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Mit einer Meßeinrichtung galt es bei den anderen vier IL-62 die störungsfreien Einbauorte für die OMEGA-Antennen zu ermitteln, um diese Flugzeuge in der Werft mit ONS-VII-Bordanlagen nachzurüsten. Mit dem OMEGA-System, das in einem extrem niedrigen Bereich zwischen 10 kHz und 14 kHz arbeitet, kann man den Flugzeugstandort mit einer Genauigkeit von 1 bis 2 sm bestimmen. Hierbei ist jedoch der gleichzeitige Empfang von drei Sendern erforderlich. Ein integrierter Computer in der OMEGA-Bordanlage errechnet während des Fluges die aktuelle Flugzeug-Position, den Kurs, die Geschwindigkeit, die Entfernung sowie den erforderlichen Kurs und die voraussichtliche Flugzeit zum nächsten Wegpunkt, die Flugzeug-Geschwindigkeit über Grund, Windrichtung und Windgeschwindigkeit.

Omega frontplatte
OMEGA-Bordanlage Frontplatte des Anzeige- und Bedienteils 

Certificate


Maximale Nutzung der OMEGA-Bordanlagen bei 25 zusätzlichen Atlantik-Charterflügen der INTERFLUG im Juli / August 1978

Im Juli und August 1978 unterstützte die DDR die XI. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Kuba mit einer Vielzahl von Charterflügen von Schönefeld nach Havanna. Mitarbeiter der Flugtechnik sorgten auf dem Airport "Jose Marti" bei Havanna für die technische Sicherstellung dieser IL-62 Flüge. Alle technischen Defekte konnten kurzfristig beseitigt werden, damit die minimale Wendezeit von zwei Stunden ermöglicht und der Flugzeug-Rotationsplan garantiert wurde. Bei dieser Aktion zeichneten sich die IF-Mitarbeiter durch technische, fliegerische und logistische Spitzenleistungen im Atlantik-Flugverkehr aus.

Ersttagsbrief
Atlantikflüge der Interflug aus Anlass der XI. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Havanna
im Juli und August 1978

 

Landung in Havanna (Ortszeit)

Datum

Landezeit ca.

Flugz.-Kennzeichen

14. Juli

19.00

DM-SEB

15. Juli

3.00

DM-SEC

17. Juli

3.00

DM-SEC

18. Juli

15.00

DM-SEC

19. Juli

8.00

DM-SEH

21. Juli

15.00

DM-SEH

21. Juli

19.00

DM-SEB

22. Juli

3.00

DM-SEG

23. Juli

3.00

DM-SEC

24. Juli

3.00

DM-SEG

25. Juli

3.00

DM-SEC

28. Juli

3.00

DM-SEH

29. Juli

6.00

DM-SEG

30. Juli

15.00

DM-SEC

4. August

19.00

DM-SEH

5. August

15.00

DM-SEB

8. August

3.00

DM-SEG

9. August

6.00

DM-SEC

11. August

3.00

DM-SEC

11. August

19.00

DM-SEH

14. August

15.00

DM-SEC

15. August

3.00

DM-SEH

18. August

4.00

DM-SEH

18. August

19.00

DM-SEB

19. August

15.00

DM-SEC



Nutzung der Trägheitsnavigations-Anlage I-11 bei Atlantikflügen der INTERFLUG

Die Trägheitsanlage I-11 dient der bodenunabhängigen Navigation und dem automatischen Streckenflug der IL-62. Während des Fluges wird nicht nur der geographische Standort angezeigt, es können auch flugwegbezogene Daten wie Kurse und Entfernungen abgefragt werden. Nach einem fünfstündigen Flug betragen die Flugwegabweichungen weniger als 10 Seemeilen. Mit der Aufschaltung der Anlage I-11 auf die Autopilotanlage SAU-1 ist ein automatischer Streckenflug über viele Stunden möglich.
Die Anwendung dieses bodenunabhängigen Navigierens für die Luftfahrt ist ein Produkt der Raumfahrt und der Entwicklung der Computertechnik. Beim Trägheitsnavigations-Verfahren wird die Bewegung des Flugzeuges mittels Beschleunigungsgeber gemessen und über die Dauer der Zeit integriert. Die Wirkungsweise ist in der unteren Abbildung ersichtlich:

I-11

Auf einer kreiselstabilisierten Plattform befinden sich drei zueinander rechtwinklig angeordnete Beschleunigungsmesser. Die ermittelten Beschleunigungskomponenten werden in elektrische Signale umgewandelt und an Integrator-Elemente weitergeleitet. Ermittelt werden die Geschwindigkeitskomponente, sowie die Wegkomponente. Die Problematik einer Trägheits-Navigationsanlage besteht in der Stabilisierung der Geberplatte, während sich das Flugzeug über die gekrümmte Oberfläche der sich drehenden Erde bewegt. Damit ein exakter Standort des Flugzeuges bezogen auf das geographische Koordinatensystem der Erde ermittelt werden kann, muss die Lage der Plattform wegen der Winkelgeschwindigkeit der Erde und der Zentripetalbeschleunigung infolge des Flugweges korri­giert werden.

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